Aus dem musikalischen Nähkästchen …
Hier meine Erinnerungen an ein erstes Bühnenerlebnis, ganz privat:
Als ich in der 3. Klasse war - immer der Kleinste von allen - bekam ich von einer Lehrerin, die mitten im Unterricht plötzlich in der Tür erschien und schnurstracks zu mir kam, eines Tages gesagt, ich könne doch beim bevorstehenden großen Schulkonzert mitspielen und den Schulchor auf dem Klavier begleiten.
Ziemlich nichtsahnend, was dies bedeutete, willigte ich ein, denn die Lehrerin war sehr freundlich, und ich wollte ihr gerne diesen Gefallen tun.
Wenige Tage später führte mich dieselbe Lehrerin vor Beginn einer Schulstunde in eine ganz andere Klasse. Da standen schon viele große Mädchen (der letzten Hauptschulklasse, wie ich heute weiß), aufgereiht und begrüßten den herein kommenden Kleinen mit aufgeregt unterdrücktem Gekicher und Erstaunen. Der Klavierstuhl wurde gedreht so hoch wie nur möglich, ich wurde von jemandem darauf gesetzt und begann auf ein Zeichen der Lehrerin, die sich inzwischen vor den Schülerinnen aufgebaut hatte, mein zu Hause eingeübtes Stück zu spielen. Dazu sangen alle Schülerinnen mit verschiedenen Stimmen - es klang einfach wunderbar!.
Dazu das überwältigende Gefühl, bei vielen lieben, singenden Menschen große Geborgenheit in der Gemeinschaft gefunden zu haben und gemeinsam getragen zu sein von der Musik. - So fühlte sich Glück für mich an. Es wurde - nachdem das Lied gerade zu Ende war - jäh unterbrochen von den wunderbaren Sängerinnen, die irgendwie erstaunt zu dem Knirps am Klavier hinüberschauten und klatschten. Damit war die "Probe" zu Ende und ich wurde von einer der jungen Damen zurück in meine Klasse begleitet.
Meine Erinnerung an das Konzert 2 Wochen später:
Ein von lauter Erwachsenen überfüllter, mitten im Winter sehr gut gewärmter, riesiger Saal. Ich sass mit meinen Eltern und dem älteren Bruder in der 1. Reihe vor der riesigen 'Wand', die höher war als ich klein war. Ich spürte knisternde Spannung, alle schauten nach vorn und es wurde plötzlich mucksmäuschen still, als plötzlich ganz da oben grelles Licht auf Gruppen und Klassen zeigte, manche spielten ,manche sangen. Nach langer Zeit - heute weiß ich, dass es der 'krönende Abschluss des Abends' sein sollte - stellten sich 'meine' großen Sängerinnen auf.
Im selben Augenblick baute sich unerwartet ein sehr hoch gewachsener Mann vor mir auf, bedeutete mir, rasch aufzustehen, stellte sich in Windeseile hinter mich und hob mich im selben Moment so hoch er konnte, so dass ich plötzlich erstaunt mit beiden Füßen oben auf der Bühne zu stehen kam, während weit hinter mir ein entzücktes Raunen den Saal durchwehte - ich fühlte wohliges Willkommen und frohes Erwarten der vielen Menschen im Zuschauerraum und auf der Bühne. (Dieses ist bis heute mein Grundgefühl geblieben, wenn ich vor mein Publikum trete.)
Es wurde mucksmäuschenstill im ganzen Raum und ich erlebte während ich spielte und die Mädchen sangen, die Zuhörer diese Musik einatmeten und sich wie wir da oben auf der Bühne davon bewegen und tragen ließen, diese wunderbare, beglückte Menschengemeinschaft. Zu Ende das Lied. -Atemberaubende Stille.- Tosender Applaus.
Jemand kam zu mir ans Klavier, nahm mich an der Hand, führte mich in die Mitte vor den Chor der großen Mädchen, die alle nebeneinander aufgereiht zu den Menschen im Saal gewandt da standen - und alle machten zu meinem Erstaunen eine tiefe Verbeugung. - Sogar alle gleichzeitig! Bei dem dritten Diener dieser Art - während ich immer noch staunend davor stand mit dem Blick in die begeisterte Menschenmenge - hörte ich das Mädchen hinter mir vorwurfsvoll sagen: "Mensch, haste dann 'nen Besen im Kreuz?!", während sie mich an den Schultern sanft vornüber drückte und die Menschen im Saal noch lauter klatschten.
Das also gehörte auch dazu.
Zwei Tage später zeigte meine Mutter mir ein Foto in der Zeitung, wie ich vor dem Chor stand. Die Worte 'hoffnungsvolles junges Talent' und 'Solo-Karriere' im dazu geschriebenen Text verstand ich nicht. Aber die Musik und das wunderbare Gefühl der großen Gemeinschaft mit den Menschen im ganzen Saal an jenem Abend ist tief in mir verwurzelt geblieben und ich erlebe es immer wieder dankbar: Das ist mein GLÜCK.